Das Ende eines Riesen

Aus Ottenbach
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Ottebächler Nr. 143 November 2007

Der Rosskastanienbaum beim Restaurant Post musste gefällt werden

Die riesige Rosskastanie beim Restaurant Post in Ottenbach am 30.April 2007 in voller Blühte, niemand ahnte das baldige Ende
Das Rest. Post wurde 2020 aussen renoviert und erstrahlt in vollem Glanze. Jetzt muss nur noch der geplante Dorfplatz dazu passen.

Die Wirtsleute Krstanovic wurden am 4. Juli 2007 gegen halb sechs Uhr morgens durch ein heftiges Getöse und Krachen unsanft aus dem Schlaf geweckt. Ein Blick aus dem Fenster im 1. Stock zeigte die Ursache: Knapp ein Drittel des riesigen Rosskastanienbaumes lag, abgespaltet vom Stamm, zerschmettert am Boden. Die ersten Befürchtungen, dass sich unter den Holzmassen Personen befinden, erwiesen sich als unbegründet. Zufällig waren auch keine Autos unter dem Baum parkiert und keine Verkehrsteilnehmer befanden sich auf der Muristrasse.

Der um 05.45 Uhr alarmierte Ottenbacher Feuerwehrkommandant, Andrea Crescionini, rückte mit der so genannten Bagatellgruppe aus. Mit zwei Fahrzeugen wurde die Muristrasse zwischen Post und «Besmer» abgesperrt. Der Morgenverkehr musste sich seinen Weg suchen. Ein autobahnverdächtiger Stau war die Folge. Die fünf Feuerwehrleute arbeiteten routiniert und in einer guten Stunde war vorläufig aufgeräumt.

Zurück blieb kein schöner Anblick. Neben mehreren riesigen Hauptästen war auch der Stamm bis zum Boden aufgerissen. Wie konnte es zu diesem unerwarteten Ereignis kommen?

Wie das Schadenbild am Stamm zeigt, war seit vielen Jahren Wasser zwischen zwei Hauptästen in den Stamm eingedrungen und hatte zu Fäulnis geführt. In der Nacht vom 3. auf den 4. Juli blies ein Südwestwind mit Böen und leichter Regen war gefallen. Eigentlich kein Grund für einen solchen Vorfall, wirkten doch bei Vorgängerstürmen viel stärkere Kräfte auf den Baum ein. So muss angenommen werden, dass verschiedene z.T. unbekannte Ursachen zusammen den Bruch auslösten. Es war ein beeindruckender, grosser Baum. In die Höhe ragten die Hauptäste bis 15 Meter und ein waagrecht, Richtung Muristrasse, zeigender Hauptast mass 12 Meter! Hätte man den Baum in diesem Zustand stehen lassen können? Von der Krone fehlte etwa 1/3 Astmasse, der Stamm war bis auf den Boden aufgerissen. Um einer besseren Statik Rechnung zu tragen, hätte man die Äste stark zurückschneiden müssen. Ein so beschädigter Baum ist Pilzen schutzlos ausgeliefert. Schweren Herzens musste die Kommission für Natur- und Landschaftsschutz (KNL) einer Fällung zustimmen.

Am 8. August 2007 war es so weit. Die Fällmannschaft unter der Leitung von Kurt Hegetschweiler, Gartenbau, Ottenbach, rückte dem sympathischen, lädierten Riesen mit Kran und Motorsäge zu Leibe. Innert weniger Stunden war er gefällt, zersägt und der Platz aufgeräumt. Ein langes Baumleben war zu Ende.

Wie alt war diese Rosskastanie?

Die Vermutung, die Pflanzung sei bald nach dem Bau des Restaurant Post im Jahr 1863 erfolgt, erwies sich als nicht richtig. Die Auszählung der Jahrringe lässt auf ein Alter von etwa 85 Jahren schliessen. Die rasch wachsenden Rosskastanien waren schon vor 100 Jahren beliebte Park- und Alleebäume. In Ottenbach standen z.B. auch vor dem ehemaligen Restaurant Rosengarten (heute Muristrasse 6) zwei Kastanienbäume. Mit den Extrakten der Rosskastanie wurden früher Pferde gegen Husten und Würmer behandelt, daher die Namengebung. Auch in der Humanmedizin finden Substanzen aus Rinde, Blättern, Blüten und Früchten wegen ihrer entzündungshemmenden und abschwellenden Wirkung Verwendung. 1576 wurden im kaiserlichen botanischen Garten in Wien die ersten, ursprünglich im Balkan beheimateten, Rosskastanien gepflanzt. Sie verbreiteten sich in ganz Europa bis nach Skandinavien und bis in Höhenlagen auf 1’000 m.

Der Rosskastanienbaum ist im «Kommunalen Naturschutzinventar» unter Objekt 357 aufgeführt. Die Schutzbestimmungen schreiben vor, dass bei Abgang eines Objektes an gleicher Stelle oder in unmittelbarer Nähe ein Ersatz gepflanzt werden muss. Eine Ersatzpflanzung ist aber im gegenwärtigen Stadium der Dorfplatzgestaltung nicht sinnvoll. Bei einer Neupflanzung muss aber unbedingt der zukünftige Platzbedarf des Baumes berücksichtigt werden. Ein «Pseudobäumchen» in einem «Rabättchen» wäre schade für den Baum und den zukünftigen neuen Dorfplatz.

Peter Eichhorn KNL

Quellen:

Paul Schneebeli, Ottenbach, Weinschenken, Gasthöfe, Pinten 1804-1999

Ruedi Ritschard, 100 Jahre Musikverein 1881-1981

Hugh Jonson, Bäume, Pawlak-Verlag

Fotos: Fotoarchiv Peter Eichhorn Ottenbach


Das kommunale Naturschutzinventar von Ottenbach > Einzelbäume > Einzelbäume - prägende Objekte im Dorf und in der Landschaft

> http://de.wikipedia.org/wiki/Rosskastanien

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Aktualisiert 2020