Walter Bodmer-Simon *11.11.96 - 10. Sept. 1989

Aus Ottenbach
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L E B E N S L A U F von W A L T E R O . B O D M E R - S I M O N Dr. phil.tr, Dr. rer.pol.h.c. ll. November 1896 - 10. September l9E9 (nach einem Entwurf des Verstorbenen aus seinen letzten Lebensjahren) Walter Bodmer wurde am I l. November 1896 in Ottenbach, Kanton Z0rich, im Haus bergwiirts der ehemaligen Seidenfabrik geboren und verbrachte dort seine Jugendzeit bis zum Herbst 1907. Seinen Vater hatte der Knabe schon im Alter von 8 Jahren verloren. Nach dessen Tod zog sich seine Mutter aus Trauer tber diesen Verlust weitgehend aus ihrem frtheren Bekanntenkreis zurlrck und beschrinkte ihre Beziehungen auf ihre Familie. Umso enger waren die Beziehungen des Knaben mit der ihn umgebenden Landschaft. In der fruchtbaren Ebene der Reuss mit ihren michtigen alleinstehenden Eichen, ihren malerischen Baumgruppen und dem umfassenden Weitblick auf die Alpen empfing er die entscheidenden Eindrticke ftrs Leben. Hier, in den Schachen l6ngs der Reuss und im damals noch ausgedehnten Ried, fand er eine enge Verbundenheit mit der Natur, die seine lebhafte Einbildungskraft mit Fabelgestalten belebte. So eng verbunden war er mit der heimatlichen Landschaft, dass er, als seine Mutter mit ihm und seiner Schwester, Dorli, zur weiteren Ausbildung der Kinder nach Ziirich zog, sehr stark an Heimweh litt und sogar erkrankte. Nie hat er sich in der Folge in Ztirich so heimisch gefiihlt wie in Ottenbach, wo seine Mutter mit Sohn und Tochter den gr6ssten Teil der Schulferien und ab und zu auch das Wochenende im eigenen Landhaus verbrachte, das sie im Jahre l9ll hatte erbauen lassen. In Z0rich besuchte Walter Bodmer das Realgymnasium. Er widmete sich hernach an den Universititen Ztirich, Bern und Genf dem Studium der Chemie, besuchte jedoch daneben auch historische, literarhistorische und weitere Vorlesungen, um seine allgemeine Bildung zu vervollstlndigen und zu vertiefen. Zeitweise noch mehr als das Chemiestudium fesselte den jungen Mann das obligatorische Nebenfach Geologie, in das er unter der Leitung des ausgezeichneten Berner Geologen Prof. P. Arbenz eingeftihrt wurde. Die Geologie vermittelte ihm Kenntnisse iiber die Entstehung und den Charakter der von ihm so geliebten Gebirgsund Flusslandschaften im Einzugsgebiet der Reuss. Denn zu wissen, wie es in der Vergangenheit "gewesen warn, hat \Yalter Bodmer stets neu mit unersittlicher Neugierde erftillt, nicht nur in Beziehung mit der Erdgeschichte, sondern auch bez[glich der Menschheitsgeschichte. Daneben hatte er seit seiner Studentenzeit literarische Interessen, nicht nur ftir deutsche, sondern auch f0r franz6sische Literatur. Anlisslich einer Theaterauff0hrung in franz6sischer Sprache lernte er eine elsiissische Pfarrerstochter, Marguerite Simon, kennen, die sp6ter seine Lebensgefihrtin werden sollte. Der gliicklichen Ehe entsprossen eine Tochter und zwei Sdhne. Nach bestandenem Doktorexamen in Chemie wandte sich Walter Bodmer zuniichst der Textilveredlung, namentlich der Fdrberei von Textilfasern und -stoffen zu und trat nach einiger Zeit in die eigentliche Textilindustrie tber. Er war lange Zeit in einem Familienunternehmen der Seiden- und Kunstseidenweberei in Italien tiitig. In seiner Mussezeit widmete sich Walter Bodmer geschichtlichen Studien und schuf sich als Autodidakt das notwendige wissenschaf tliche Riistzeug fiir seine geschichtliche Forschungsarbeit, der er sich zun6chst w6hrend der Ferien widmete. Seine erste geschichtliche Arbeit wurde im Jahre 1930 in Strassburg im Elsass in franz6sischer Sprache ver- Offentlicht und behandelte die schweizerische Einwanderung in die wihrend des Dreissigjnhrigen Krieges verw0stete ehemalige elsissische Grafschaft Hanau-Lichtenberg im l7 Jahrhundert. Auf diese schweizerische Einwanderung ins Elsass hatte ihn sein Schwiegervater, Pfarrer Jean Simon, aufmerksam gemacht. Gleich diese erste Arbeit wurde von Historikern vom Fach als ausgezeichnet beurteilt. - 2 - Beruflich war Walter Bodmer weiter in der Textilindustrie in Italien, spiiter f0r kiirzere Zeit wieder in einer F6rberei tetig. Im Jahre 1942 kehrte er in die Schweiz zuriick und zog spiiter auch seine Familie nach, als die Zust[nde in Norditalien, wo er ein Haus in Cernobbio bei Como erworben hatte, unhaltbar wurden. In der Schweiz widmete er sich weiterhin historischen Forschungen. Daneben war er einige Zeit in "Heer und Haus' als dreisprachiger Korrespondentetig und fand von dort aus nach einiger Zeit eine Stellung als Sekret6r in dem eben gegrtindeten Schweizerischen Tropeninstitut in Basel. In dieser Stellung konnte er neben seinen sprachlichen, organisatorischen, wirtschaftlichen und geographischen Kenntnissen auch sein Wissen tiber die Entwicklung der Gebiete in Uebersee verwenden. Daneben ver6ffentlichte er einige Arbeiten iiber die schweizerische Auswanderung nach Uebersee und iiber einzelne Aspekte der schweizerischen Wirtschaftsgeschichte. Er hielt auch Vorlesungen iiber Probleme der Geschichte der iiberseeischen Gebiete. Seit 1953 wandte er sich dann ausschliesslich der Erforschung der schweizerischen Wirtschaftsgeschichte zu. Er war auch Experte fUr die Beurteilung von Dissertationen tiber Themen auf diesem Gebiete, die unter der Leitung von Prof. Max Silberschmidt an der Universitit Zfrrich verfasst wurden. Der Beweggrund, der Walter Bodmer immer wieder zu neuen Nachforschungen liber die politische und insbesondere die wirtschaftliche Vergangenheit der schweizerischen Eidgenossenschaft oder von Teilen derselben, ja von einzelnen Orten und Erscheinungen trieb, war keineswegs wissenschaftlicher Ehrgeiz. - Er hat es stets abgelehnt, eine akademische Laufbahn zu ergreifen, trotz wiederholter Aufmunterung dazu seitens seiner Freunde und Bekannten. - Vielmehr war es der Drang, sich aufgrund von Archivdokumenten Klarheit insbesondere iiber die wirtschaftlichen Verhbltnisse in frtiheren Jahrhunderten zu verschaffen, der ihn zu Nachforschungen veranlasste. Diese Neugierde empfand er aber nur fiir die Vergangenheit, nicht ftir das Leben und Treiben seiner Zeitgenossen. Er betrachtete seine Forschungen auch nie als ethisch verdienstlich, freute sich aber, als er 1962 von der Universitiit Bern, von der er seinen ersten Doktortitel erhalten hatte, mit dem "doctor honoris causa" fiir seine bisher ver6ffentlichten Arbeiten geehrt wurde, zu denen auch eine schweizerische Industriegeschichte geh6rte. Er empfand diese Ehrung als eine Aufmunterung, mit seinen Forschungen fortzufahren, was er auch tat. Auch in religiOser Hinsicht war Walter Bodmer stets ein Suchender, der sich seiner eigenen Unvollkommenheit durchaus bewusst war. Er gab sich anderseits Rechenschaft Uber die geringe Bedeutung des einzelnen Menschen, ja der Menschheit iiberhaupt angesichts der Weite des Universums mit seinen unendlichen Rlumen und seinen Milliarden von Galaxien, die je Milliarden von Sternen enthalten, deren Licht wir zu sehen vermOgen. Die Grossartigkeit der Sch6pfung beeindruckte ihn tief. Sie schien ihm die Allmacht und unendliche Gr0sse Gottes zu offenbaren. Den Schltissel zu seiner Beziehung zur Menschheit und zum einzelnen Menschen gab ihm jedoch die Bibel, insbesondere das Neue Testament, und in diesem wiederum das gedanklich tiefste Evangelium, dasjenige des Johannes und die Paulus- Briefe.