Ottenbacher Geschichten und Sagen: Unterschied zwischen den Versionen

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                                                                                                   22.2.97    O. T. Bächler.
                                                                                                   22.2.97    O. T. Bächler.
Unheimliche Geschichten
De Tobel-Jogg
Lange bevor die erste Reussbrücke 1864 gebaut wurde, waren die
Ottenbacher Bauern schon Landbesitzer in der aargauischen
Reussebene. Die Fähre war die einzige Verbindung. Mühsam musste
bei jedem Transport alles auf das Schiff ein- oder umgeladen werden. Auch mit der
Strasse nach Birri war es nicht weit her. Ein sumpfiges
Karrengeleise zog sich kurvenreich den alten Flussläufen und
Entwässerungsgräben nach. Die heute noch bestehende Täuberibrücke war der einzige feste Übergang über den als" roten Kanal"
benannten Entwässerungsgraben.(ca. 100 Meter südlich der
heutigen Hauptstrasse Ottenbach-Birri) Das Alter der schönen
Steinbogenbrücke und die Herkunft des merkwürdigen Namens sind
unbekannter. Der rote Schlamm am Boden des Gewässers entstand
wahrscheinlich durch Oxydation verschiedener Mineralien und lies
das Wasser manchmal blutrot erscheinen.
Dazu erzählte ein bejahrter Ottenbacher am Stammtisch im "Funk" zu
vorgerückter Stunde folgende unheimliche Geschichte:
An einem diesigen Novemberabend Anno 1851 stapfte der
wohlbeleibte Ottenbacher Vieh- und Rosshändler Jakob
Gneser, genannt "Tobel-Jogg" von Birri her kommend Richtung
Täuberibrücke heimwärts zu. Gutgelaunt, hatte er doch den
Räber Josef von Birri schön hereingelegt. Das Geschäft war am
Martinimärt in Muri eingefädelt worden: Ob er ihm nicht ein
günstiges und treues Pferd hätte, seine Frau habe eine kleine
Erbschaft gemacht und so könnte er endlich neben dem Ochsen ein
Pferd einspannen statt einer Kuh. Dem gerissenen Jogg fiel
sofort ein entsprechendes Ross ein, hatte doch Anfangs
Weinmonat der Bickwiler Stähli Fridli seine alte
Schindmähre verkaufen wollen. Zu Räber Josef sagte er aber,
dass es zur Zeit nicht einfach sei, im Rosshandel laufe nichts.
Er werde aber herumfragen und Bescheid geben. Der Handel lief in
der Folge wie geschmiert: Fridli hatte seinen alten
Güggel noch nicht verkaufen können, selbst der Metzger hätte
ihn nicht umsonst genommen. So drückte Jogg den Preis noch
zünftig. Der Heimritt von Bickwil über den Rebhoger in den
Tobelhof war so ohne Sattel auf dem alten knochigen Tier eine
Strapaze.In den nächsten Wochen wurde der bedauernswerte Klepper
kräftig aufgeputzt: gefuttert, gestriegelt und geschmiert was
das Zeug hielt, dazu noch einige Rosstäuschertricks, die hier
nicht verraten seien.
Nun, kurz und gut, Räber war von den hochgepriesenen Qualitäten
des Pferdes überzeugt. Vor allem das rassige Verhalten des doch
offensichtlich etwas ältern Tieres gefiel ihm. Der
gute Josef konnte ja nicht wissen, dass Jogg kurz vor Birri der
armen Kreatur noch kräftig starken Pfeffer in den Hintern
geschmiert hatte....
Bald hatte Gneser die Hälfte des Weges hinter sich. Vergnügt
über seinen  fabelhaften Handel sinnierend, bemerkte er nicht den
aufkommenden Bodennebel. Auch die seltsame Rosafärbung sah der
in Gedanken versunkene nicht. Doch jetzt, ein Schritt neben den Weg und
Jogg schlug der Länge nach in die Streue. Fluchen wie ein
Rossknecht musste man Jogg nicht beibringen, doch was er jetzt vor
seinen Augen auftauchte, lies ihn verstummen und erstarren:
Schaurige, rote Arme wogten um ihn her, wollten ihn
ergreifen, würgen,  niederdrücken. Weich wie Watte, aber im
Innern zäh wie Schlangen griffen sie nach seinen Beinen und
Armen. Jetzt nur auf und vorwärts Richtung Ottenbach. Einige
Meter vor sich sah er die Umrisse des alten
Gemeindegrenzsteines Birri-Merenschwand ,da musste gleich die
Brücke sein, ein paar Schritte noch und er wäre auf der etwas
erhöhten Brücke in Sicherheit.
Jogg träumte, er läge in einem weichen Strohbett, eine
warme Decke würde über ihn ausgebreitet, warmer Tee würde ihm
eingeflösst. Ein Schrei, Wasser,  Wasser überall, nur auftauchen
jetzt. Bis zu den Knien im roten Schlamm, über das Gesicht lief
Blut, in die Augen, in den Mund. Und diese grausamen roten Arme,
überall, den ganzen Graben ausfüllend. Noch einmal bäumte sich
Jogg auf, doch ein entkommen war unmöglich, blutrot war alles
um ihn. Langsam lösten sich die Nebelarme auf, zogen sich
zurück. Wie eine feine rosa Decke legte sich der Nebel sanft über die
Reussebene. 
*****
Liebe Gemeinde
   
Dem Herr über Leben und Tod hat es gefallen, unseren Mitbruder
Jakob Gneser in die Ewigkeit abzuberufen. Er ist auf dem Heimweg von Birri vom Weg abgekommen und im roten Kanal ertrunken. Wer Jakob Gneser
kannte, weiss, dass wir einen aufrechten, ehrlichen Mitbürger
verloren haben. Die Beerdigung ist am nächsten Dienstag.
Ich habe dich bei meinem Namen gerufen, du bist mein. Wenn du durchs
Wasser gehst, bin ich bei dir, und durch Ströme, sie werden
dich nicht überfluten; denn ich bin Jehova, dein Gott.
Jesaia 41. Vers 1 und 2.
O.T. Bächler

Version vom 10. Oktober 2007, 08:11 Uhr

Eine unheimliche Engel - Geschichte

Wer kennt nicht den Engel in Ottenbach? Ein aussergewöhnlicher Riegelbau mitten im Dorf. 1956 aussen sorgfältig renoviert, war er danach lange Zeit die Visitenkarte des Dorfes. Die verrauchte, niedrige Gaststube im Parterre gelegen (mit Blick durchs Fenster direkt auf die Beine der auf der Strasse gehenden Dorfschönen), das Säle im 1.Stock, die gut gehende Metzgerei mit Schlachthaus; ja fast wie ein kleines Dorfcenter, neudeutsch ausgedrückt. Das vor 1743 erbaute Gebäude überstand drei Dorfbrände. Ein altes Tavernenrecht sicherte dem jeweiligen Wirt verschiedene Vorrechte zu. Nun, in der neueren Zeit ist es, trotz verschiedener Umbauten, und Verbesserungen in betrieblicher Hinsicht, nach kurzer Blüte immer mehr abwärts gegangen mit dem Engel. Die Wirtschaft ist wegen Konkurs geschlossen und, wer weiss, wird der ehemals stolze Fachwerkbau ein Schandfleck mitten im Dorf. Weniger bekannt ist sicher, dass die obersten Stockwerke des für Ottenbach doch recht stattlichen Hauses gar nie ausgebaut wurden, sei es , dass kein Bedürfnis vorhanden war, oder dass das liebe Geld fehlte. Möglicherweise liegt der tiefere Grund auch in einer höchst seltsamen Begebenheit, die sich ums Jahr 1802 ereignet haben soll. Die Historie ist eine Nacherzählung, wie ich sie von meinem längst verstorben Vater gehört habe. Er wiederum hat sie zur vorgerückten Stunde am Stammtisch im „Löwen“ (jetzt Gemeindehaus) von einem alten Ottenbacher gehört.

Schwarzer Kater

Feierabend! Küefer-Ruedi legte sein Werkzeug zur Seite und räumte gewissenhaft seine Werkstatt auf. Ein Schlummertrunk war wohl verdient, aber wo? Der naheliegende Engel war seit drei Wochen geschlossen. Die Obrigkeit in Zürich hatte die Schliessung verfügt. Streitigkeiten wegen des Taverenenrechtes waren der Grund. Ja, dann halt in den „Rosengarten“. (Haus Muristr. 6) Auch nicht schlecht. Die Wirtstochter Seline war ja wirklich zum Anbeissen hübsch. Ruedi schloss seine Bude im Chloschter und schritt wohlgemut Richtung „Rosengarten“. Ein grässliches Geräusch schreckte in aus seinen Seline-Träumen auf. Es tönte wie das Miauen einer Katze in Todesangst. Ruedi stand bockstill und horchte. Eine eigenartige Ruhe lag mit einem Mal über dem Dorf. Doch jetzt, wieder dieses fürchterliche Kreischen. Aus dem Engel kommt's! Da ist ein Tier in Not. Hier muss geholfen werden! Die beiden Haustüren sind verschlossen, doch ein Fenster gegen das Schlachthaus hin ist nur angelehnt. Bis zum 2. Stock kennt Ruedi den Weg gut, hatte er sich doch schon öfters am bärbeissigen Wirt vorbei in die Gesindekammer geschlichen. Das Katzengejammer ertönte wieder, eigenartigerweise nur noch ganz leise. Das musste von ganz oben kommen! Also noch ein Stockwerk höher. Das Abendlicht drang gelblich durch die halbgeschlossenen Fensterläden, und erfüllte den grossen Dachraum mit einem diffusen Dämmerlicht Da, ganz oben im Giebel war noch eine Zimmer eingebaut, nur über eine Leiter erreichbar. Wieder leises miauen. Sicher war das arme Tier in der Kammer eingesperrt und am Verdursten. Rasch die paar Sprossen erklommen, Türe auf und ......

Ruedi erstarrte, er spürte wie sich seine Nackenhaare aufstellten, Hühnerhaut breitete sich an Armen und Beinen aus, der Atem blieb ruckartig weg, schreien wollte er, schreien.... Vor ihm stand sprungbereit ein riesiges schwarzes Tier, mit unglaublich grossen Augen, den Rachen weit aufgerissen, die gelblichen, Raubtierzähne zum  Reissen bereit. Ein ekliger Schwefelgeruch breitete sich aus. Ruedi wich vor Schreck zurück, verfehlte die nächste Sprosse und fiel. Jetzt kam sein Schrei. Hart schlug er auf dem Bretterboden auf. Dunkelheit. Aus.  

Am anderen Morgen hörte der Pfarrer in seinem Studierzimmer vom Engel her ein klägliches Katzengejammer. So irgend ein blödes Viech musste dort eingesperrt sein. Nein , so konnte er keine Predigt vorbereiten. Er beorderte Sigristen August herbei. Er solle die Katze befreien. Er könne ja noch Davids Schang von der Schmitte mitnehmen, wenn man die Türe aufbrechen müsste. Kurz darauf standen beide völlig verstört vor dem entseelten Körper des Küefer-Ruedi. Die Arbeitsjacke und das Barchenthemd waren aufgerissen, Gesicht und Brust wie mit Bärenpratzen zerfetzt! Das nackte Grauen stand den Beiden ins Gesicht geschrieben. Ein zartes miauen aus der Kammer oben ganz rechts lies Gusti und Schang aufblicken. Trotz der schrecklichen Tatsache, dass Ruedi tot vor ihnen lag, musste natürlich noch der Auftrag des Pfarrers ausgeführt werden. Schang nahm sich ein Herz, erklomm die Leiter, stiess die Türe auf und ...

Ein kleiner schwarzer Kater stolzierte an ihm vorbei, sprang elegant die Leiter hinunter, marschierte stracks an Ruedis Leiche vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen und entschwand in die unteren Gemächer.

Ein penetranter, ekliger Schwefelgeruch breitete sich im Raum aus.


                                                                                                  22.2.97     O. T. Bächler.

Unheimliche Geschichten

De Tobel-Jogg

Lange bevor die erste Reussbrücke 1864 gebaut wurde, waren die Ottenbacher Bauern schon Landbesitzer in der aargauischen Reussebene. Die Fähre war die einzige Verbindung. Mühsam musste bei jedem Transport alles auf das Schiff ein- oder umgeladen werden. Auch mit der Strasse nach Birri war es nicht weit her. Ein sumpfiges Karrengeleise zog sich kurvenreich den alten Flussläufen und Entwässerungsgräben nach. Die heute noch bestehende Täuberibrücke war der einzige feste Übergang über den als" roten Kanal" benannten Entwässerungsgraben.(ca. 100 Meter südlich der heutigen Hauptstrasse Ottenbach-Birri) Das Alter der schönen Steinbogenbrücke und die Herkunft des merkwürdigen Namens sind unbekannter. Der rote Schlamm am Boden des Gewässers entstand wahrscheinlich durch Oxydation verschiedener Mineralien und lies das Wasser manchmal blutrot erscheinen.

Dazu erzählte ein bejahrter Ottenbacher am Stammtisch im "Funk" zu vorgerückter Stunde folgende unheimliche Geschichte:

An einem diesigen Novemberabend Anno 1851 stapfte der wohlbeleibte Ottenbacher Vieh- und Rosshändler Jakob Gneser, genannt "Tobel-Jogg" von Birri her kommend Richtung Täuberibrücke heimwärts zu. Gutgelaunt, hatte er doch den Räber Josef von Birri schön hereingelegt. Das Geschäft war am Martinimärt in Muri eingefädelt worden: Ob er ihm nicht ein günstiges und treues Pferd hätte, seine Frau habe eine kleine Erbschaft gemacht und so könnte er endlich neben dem Ochsen ein Pferd einspannen statt einer Kuh. Dem gerissenen Jogg fiel sofort ein entsprechendes Ross ein, hatte doch Anfangs Weinmonat der Bickwiler Stähli Fridli seine alte Schindmähre verkaufen wollen. Zu Räber Josef sagte er aber, dass es zur Zeit nicht einfach sei, im Rosshandel laufe nichts. Er werde aber herumfragen und Bescheid geben. Der Handel lief in der Folge wie geschmiert: Fridli hatte seinen alten Güggel noch nicht verkaufen können, selbst der Metzger hätte ihn nicht umsonst genommen. So drückte Jogg den Preis noch zünftig. Der Heimritt von Bickwil über den Rebhoger in den Tobelhof war so ohne Sattel auf dem alten knochigen Tier eine Strapaze.In den nächsten Wochen wurde der bedauernswerte Klepper kräftig aufgeputzt: gefuttert, gestriegelt und geschmiert was das Zeug hielt, dazu noch einige Rosstäuschertricks, die hier nicht verraten seien.

Nun, kurz und gut, Räber war von den hochgepriesenen Qualitäten des Pferdes überzeugt. Vor allem das rassige Verhalten des doch offensichtlich etwas ältern Tieres gefiel ihm. Der gute Josef konnte ja nicht wissen, dass Jogg kurz vor Birri der armen Kreatur noch kräftig starken Pfeffer in den Hintern geschmiert hatte....

Bald hatte Gneser die Hälfte des Weges hinter sich. Vergnügt über seinen fabelhaften Handel sinnierend, bemerkte er nicht den aufkommenden Bodennebel. Auch die seltsame Rosafärbung sah der in Gedanken versunkene nicht. Doch jetzt, ein Schritt neben den Weg und Jogg schlug der Länge nach in die Streue. Fluchen wie ein Rossknecht musste man Jogg nicht beibringen, doch was er jetzt vor seinen Augen auftauchte, lies ihn verstummen und erstarren:

Schaurige, rote Arme wogten um ihn her, wollten ihn ergreifen, würgen, niederdrücken. Weich wie Watte, aber im Innern zäh wie Schlangen griffen sie nach seinen Beinen und Armen. Jetzt nur auf und vorwärts Richtung Ottenbach. Einige Meter vor sich sah er die Umrisse des alten Gemeindegrenzsteines Birri-Merenschwand ,da musste gleich die Brücke sein, ein paar Schritte noch und er wäre auf der etwas erhöhten Brücke in Sicherheit.

Jogg träumte, er läge in einem weichen Strohbett, eine warme Decke würde über ihn ausgebreitet, warmer Tee würde ihm eingeflösst. Ein Schrei, Wasser, Wasser überall, nur auftauchen jetzt. Bis zu den Knien im roten Schlamm, über das Gesicht lief Blut, in die Augen, in den Mund. Und diese grausamen roten Arme, überall, den ganzen Graben ausfüllend. Noch einmal bäumte sich Jogg auf, doch ein entkommen war unmöglich, blutrot war alles um ihn. Langsam lösten sich die Nebelarme auf, zogen sich zurück. Wie eine feine rosa Decke legte sich der Nebel sanft über die Reussebene.

Liebe Gemeinde

Dem Herr über Leben und Tod hat es gefallen, unseren Mitbruder Jakob Gneser in die Ewigkeit abzuberufen. Er ist auf dem Heimweg von Birri vom Weg abgekommen und im roten Kanal ertrunken. Wer Jakob Gneser kannte, weiss, dass wir einen aufrechten, ehrlichen Mitbürger verloren haben. Die Beerdigung ist am nächsten Dienstag.


Ich habe dich bei meinem Namen gerufen, du bist mein. Wenn du durchs Wasser gehst, bin ich bei dir, und durch Ströme, sie werden dich nicht überfluten; denn ich bin Jehova, dein Gott. Jesaia 41. Vers 1 und 2.

O.T. Bächler