Naturberichte und Geschichten: Unterschied zwischen den Versionen
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
||
Zeile 6: | Zeile 6: | ||
ausscheiden. Die bisherigen Einsichten | ausscheiden. Die bisherigen Einsichten | ||
sind aber noch sehr oberflächlich | sind aber noch sehr oberflächlich | ||
und | und tragen kaum der ganzen | ||
Komplexität Rechnung. Die Ameisen- Kommunikation lässt sich deshalb | Komplexität Rechnung. Die Ameisen- Kommunikation lässt sich deshalb | ||
auch nicht künstlich imitieren. | auch nicht künstlich imitieren. | ||
Wie die chemische Sprache der | Wie die chemische Sprache der | ||
Ameisen funktioniert, hat der '''Kleine | Ameisen funktioniert, hat der '''Kleine Moorbläuling Maculinea alcon)''', ein einheimischer Tagfalter, herausgefunden. Der Falter legt seine Eier in | ||
Moorbläuling | |||
einheimischer Tagfalter, | |||
Magerwiesen auf die Blätter von | Magerwiesen auf die Blätter von | ||
Lungenenzianen, von welchen sich | Lungenenzianen, von welchen sich | ||
Zeile 20: | Zeile 17: | ||
vor sich diese verpuppt, lässt sie sich | vor sich diese verpuppt, lässt sie sich | ||
zu Boden fallen. Ameisen der Gattung | zu Boden fallen. Ameisen der Gattung | ||
Myrmica | ''Myrmica'' tragen sie in ihr Nest | ||
ein. Hier ernährt sich die Raupe von | ein. Hier ernährt sich die Raupe von | ||
Ameisenbrut und Futter, | Ameisenbrut und Futter, das sie von | ||
den Arbeiterinnen erbettelt. | den Arbeiterinnen erbettelt. | ||
Der Kleine Moorbläuling hat | Der Kleine Moorbläuling hat | ||
nicht nur herausgefunden, wie die | nicht nur herausgefunden, wie die | ||
Ameisensprache funktioniert er | Ameisensprache funktioniert, er | ||
kann sie auch imitieren. Die Raupe | kann sie auch imitieren. Die Raupe | ||
ist nämlich fähig, sich mit dem richtigen | ist nämlich fähig, sich mit dem richtigen | ||
Cocktail von Duftstoffen | Cocktail von Duftstoffen zu tarnen, | ||
so dass die Ameisen sie als Larve | so dass die Ameisen sie als Larve | ||
ins Nest eintragen. Hier durchläuft | ins Nest eintragen. Hier durchläuft | ||
sie | sie das Ende der Larven- und | ||
die Puppenentwicklung. Die Tarnkunst | die Puppenentwicklung. Die Tarnkunst | ||
hat die Raupe sogar so weit | hat die Raupe sogar so weit | ||
Zeile 41: | Zeile 38: | ||
Noch raffinierter allerdings sind | Noch raffinierter allerdings sind | ||
die Schlupfwespe | die Schlupfwespe ''Ichneumon eumerus'' | ||
und andere Arten. Die Schlupfwespe | und andere Arten. Die Schlupfwespe | ||
braucht für ihre | braucht für ihre Nachkommen die | ||
Larven des Bläulings, die wohlbehütet | Larven des Bläulings, die wohlbehütet | ||
im Ameisennest leben. Dazu | im Ameisennest leben. Dazu | ||
Zeile 56: | Zeile 53: | ||
Strategie als der Moorbläuling. Sie | Strategie als der Moorbläuling. Sie | ||
scheidet nämlich beim Eintreten das | scheidet nämlich beim Eintreten das | ||
Alarm-Pheromon der Ameisen aus, | Alarm- Pheromon der Ameisen aus, | ||
welches diese veranlasst, miteinander | welches diese veranlasst, miteinander | ||
zu kämpfen. In der allgemeinen | zu kämpfen. In der allgemeinen | ||
Zeile 73: | Zeile 70: | ||
"Gastfreundschaft" bekommen. | "Gastfreundschaft" bekommen. | ||
Quelle: Ornis, Nr.3, Juni 2008 im Artikel "Von Ameisen lernen", Seite 4-8 von Donat Agosti | Quelle: Ornis, Nr.3, Juni 2008 im Artikel "Von Ameisen lernen", Seite 4-8, von Donat Agosti | ||
Version vom 16. Juni 2008, 10:03 Uhr
Ameisen und Moorbläuling
Für die Kommunikation haben die Ameisen über fünfzig bekannte Drüsen, die verschiedene Duftstoffe ausscheiden. Die bisherigen Einsichten sind aber noch sehr oberflächlich und tragen kaum der ganzen Komplexität Rechnung. Die Ameisen- Kommunikation lässt sich deshalb auch nicht künstlich imitieren.
Wie die chemische Sprache der Ameisen funktioniert, hat der Kleine Moorbläuling Maculinea alcon), ein einheimischer Tagfalter, herausgefunden. Der Falter legt seine Eier in Magerwiesen auf die Blätter von Lungenenzianen, von welchen sich die geschlüpfte Raupe ernährt. Be- vor sich diese verpuppt, lässt sie sich zu Boden fallen. Ameisen der Gattung Myrmica tragen sie in ihr Nest ein. Hier ernährt sich die Raupe von Ameisenbrut und Futter, das sie von den Arbeiterinnen erbettelt. Der Kleine Moorbläuling hat nicht nur herausgefunden, wie die Ameisensprache funktioniert, er kann sie auch imitieren. Die Raupe ist nämlich fähig, sich mit dem richtigen Cocktail von Duftstoffen zu tarnen, so dass die Ameisen sie als Larve ins Nest eintragen. Hier durchläuft sie das Ende der Larven- und die Puppenentwicklung. Die Tarnkunst hat die Raupe sogar so weit entwickelt, dass sie die Geräusche der Ameisenlarven imitiert, welche diese während der Fütterung von sich geben.
Noch raffinierter allerdings sind die Schlupfwespe Ichneumon eumerus und andere Arten. Die Schlupfwespe braucht für ihre Nachkommen die Larven des Bläulings, die wohlbehütet im Ameisennest leben. Dazu muss sie zuerst herausfinden, in welchem Ameisennest eine Moorbläuling- Raupe lebt. Dann dringt sie ins Nest ein und muss da die Bläulingslarve finden.
Den Zugang zum Nest verschafft sich die Wespe mit einer anderen Strategie als der Moorbläuling. Sie scheidet nämlich beim Eintreten das Alarm- Pheromon der Ameisen aus, welches diese veranlasst, miteinander zu kämpfen. In der allgemeinen Aufregung kann die Wespe ihr Ei in die Raupe legen und unbehelligt aus dem Nest entwischen. Aus dem Ei schlüpft eine Larve, welche die Schmetterlingsraupe langsam von innen her auffrisst. Nicht parasitisierte Falter und Wespen wachsen im Nest auf; die Ameisen merken nicht, wenn sie schlüpfen und sich an die Erdoberfläche begeben. Es ist bis heute nicht klar, welche Gegenleistung die Ameisen für ihre "Gastfreundschaft" bekommen.
Quelle: Ornis, Nr.3, Juni 2008 im Artikel "Von Ameisen lernen", Seite 4-8, von Donat Agosti