Ein nicht alltägliches Kleingewerbe in Ottenbach

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Das waren noch Zeiten….

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Ein nicht alltägliches Kleingewerbe in Ottenbach

Ein Wikipeter- Beitrag von Fridolin Egger, Ottenbach April 2010

Bis in die Zeit des zweiten Weltkrieges war das Schuhwerk für den täglichen Gebrauch vor allem auf Robustheit und Langlebigkeit ausgelegt. Komfort war in diesem Zusammenhang eher ein Fremdwort. Die harten Sohlen aus schwerem Leder oder Holz wiesen keine Polsterung auf. Daher waren im Winter kalte Füsse keine Seltenheit und im Sommer bereitete die Ausdünstung Probleme. Die Schuhe wurden daher immer gross genug gekauft. So fand darin eine zusammengefaltete Zeitung Platz, welche im Winter etwas isolierte und im Sommer den Schweiss aufsog.

Nach dem Krieg kamen Einlagesohlen aus verschiedenen Materialien in Mode, welche den Tragkomfort der Schuhe erhöhten. Eine Sorte solcher Einlagesohle bestand aus geflockten und gepressten Schwämmen.

Die Schwammplatten für diese Sohlen wurden in Ottenbach fabriziert. Ungefähr 1947 liess Otto Berli – Christen (1) die nötigen Einrichtungen für deren Herstellung im Keller seines Hauses an der Muristrasse 3 installieren. Für die Herstellung der Platten wurde Traugott Meier (2) angestellt.

Die Fabrikation der Platten war jener von handgeschöpftem Papier sehr ähnlich. Daher wurden dafür auch gleiche oder ähnliche Fabrikationsmittel eingesetzt. Es waren dies: ein Holländer(3), ein grosses Schöpfbecken, eine Presse (4) und ein Gestell zum Lufttrocknen der Platten. Für die Fabrikation, die hauptsächlich in der warmen Jahreszeit stattfand, wurde viel Wasser benötigt.

Die Rohschwämme, je nach gefragter Qualität Natur- oder Kunstschwämme, wurden in den mit Wasser gefüllten „Holländer“ eingetaucht und die Walze in Bewegung gesetzt. Die rotierende Walze beförderte die Masse aus Wasser und Schwammstücken immer im Kreis herum und bei jeder Passage zwischen Walze und Gegenstück zerschnitten und zerquetschten die Messer die Schwammstücke in immer kleinere Teile. Der Vorgang dauerte einige Stunden, solange bis die Schwammstücke die gewünschte Grösse erreicht hatten.

Danach wurde die Masse aus Wasser und Schwammstücken in das grosse Schöpfbecken umgeschüttet. Mit Hilfe eines speziellen Siebes (5) wurden daraus die einzelnen Platten geschöpft. Das Sieb tauchte man in die Wasser/Schwammmasse, hob es wieder hoch und legte es zum Abtropfen des Wassers auf eine Abtropfablage. Die den Siebrand überragende Schwammasse, streifte man mit einem Stab ab und beförderte ihn zurück ins Schöpfbecken. Nachdem Abtropfen des Wassers wurde ein Jutetuch über die Masse gelegt, darauf kam ein dünnes Brett zu liegen und das Ganze wurde gewendete. Nun konnte das Sieb abgehoben werden. Die vorstehenden Ränder des Tuches schlug man vorsichtig und möglichst ohne Falten über die rohe Schwammplatte. Nun wurde die Unterlage samt der roh geschöpften Platte unter die Presse gelegt. So wurde Platte um Platte aufgeschichtet bis die richtig Anzahl für einen Pressgang erreicht war und das restliche Wasser aus dem ganzen Stapel herausgepresst werden konnte.

Nach dem Pressen wurden die Schwammplatten von den Jutetüchern befreit, auf Gitter gelegt und in ein offenes Trocknungsgestell gelegt. Ich kann mich noch erinnern, dass bei sonnig warmem Wetter, vorgetrocknete Platten auf der damals noch nicht überbaut Wiese zwischen Berli’s Haus und dem Haus Affolternstrasse 2, zum fertig Trocknen ausgelegt wurden.

Die Plattenproduktion war nur in der wärmeren Jahreszeit möglich, in der die Platten an der Luft gut getrocknet werden konnten.

Zu Beginn der Fünfzigerjahre, nachdem die Familie Hegetschweiler ( Ursi’s ) von ihrem Hof im Dorfzentrum auf den Rain, auch „ Högerli “ genannt, umzogen und Stall und Scheune leer wurden, übernahm Traugi Meier die Herstellung der Schwammplatten auf eigene Rechnung und richtete die Fabrikation im leer stehenden Stall ein. Die Scheune diente als Lager für die Rohschwämme und die versandbereiten Platten. Zum Trocknen der Platten diente das ehemalige Zigerligestell (6), das sich auf der Südseite der Scheune unter dem Vordach befand.

Traugi arbeitete weiter bei der Firma OBC, es war daher der, von Traugi’s Frau angestellte Herrencoiffeur, der, wenn er keine Kunden hatte, für die Herstellung der Platten zuständig war.

Die fertigen Platten wurden, zu grossen Stapeln gebunden, an den Hersteller der Einlegesohlen geliefert, wo daraus die Sohlenstücke ausgestanzt und weiter verarbeitet wurden.


Der Teppichklopfer aus Ottenbach ZH

1962 beauftrage die Migros den Inhaber der Kunsstofffabrik OBC, Otto Berli-Christen, Ottenbach, einen Teppichklopfer aus Plastik zu entwerfen. Weiter...Der Teppichklopfer aus Ottenbach ZH


Anmerkungen

1. Otto Berli- Christen (1916 – 1997) war Kaufmann in einer Kartonfabrik. Die Schwammplattenfabrikation betrieb er nebenbei. Später installierte er im Stall seines Elternhauses, an der Muristrasse 2, Spritzmaschinen für Kunststoffteile. Auch diese Fabrikation betrieb er zuerst neben seiner Berufsarbeit. Später entwickelte sich daraus das Kunststoffspritzwerk OBC – Otto Berli-Christen - (Fabrikgebäude Affolternstrasse 4) das später nach Merenschwand übersiedelt.

2. Traugott Meier (1914 – 1966), auch Meier Traugi genannt, wohnte im Haus das, zusammen mit dem ehemaligen Bauernhof Hegetschweiler, dem Neubau des Mehrfamilienhauses mit dem VOLG-Laden weichen musste. Seine Frau betrieb darin ein Coiffeurgeschäft für Damen und Herren. Traugi übernahm später die Schwammplattenfabrikation auf eigene Rechnung, arbeitete daneben aber immer bei der Firma OBC. Traugi war es auch, der sich 1954 einen der ersten Fernsehapparate in Ottenbach anschaffte.

3. Der Holländer, eine um 1670 von holländischen Papiermachern gemachte Erfindung, ist ein im Grundriss ovales Becken, von ungefähr 3 x 6 Metern, mit einem Stück Mittelwand. In der Mitte einer Längsseite war eine von einem Elektromotor angetriebene Walze eingebaut. Diese war mit quer stehenden Messern, ähnlich dem Schaufelrad eines Raddampfers, bestückt. Beim Drehen erfassten die Messer die Schwämme und drückten diese auf eine am Boden des Beckens fest montierte Platte. Dadurch wurden die Schwammstücke in immer kleinere Stücke zerquetscht und zermahlt.

4. Die Presse war eine Spindelpresse wie sie früher auf vielen Bauernhöfen, zum Pressen von Äpfel und Birnen zu Most, verwendet wurden.

5. Das quadratische feinmaschige Sieb wies Seitenlängen von ungefähr 80 cm auf. Der darauf aufgesetzte, nach oben vorstehende Rand, der die Masse zurück hielt, bestimmte die Dicke der geschöpften Platte.

6. Auf landwirtschaftlichen Betrieben wurde aus dem Trester der Mostherstellung nach dem Brennen sogenannte Zigerli gestochen. Dies waren röhrenförmige Stücke mit ca. 15 cm Aussendurchmesser und ebenfalls ungefähr 15 cm Höhe. Sie wurden zum Trocknen auf das sogenannte Zigerligestell gelegt und im Winter als Brennmaterial verwendet.


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