Der Ottenbacher Fabrikkanal: Unterschied zwischen den Versionen

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*Bernhard Schneider, Ottenbachs Bevölkerung im Wandel der Zeit
*Bernhard Schneider, Ottenbachs Bevölkerung im Wandel der Zeit
  (zu beziehen in der Gemeindekanzlei)
(zu beziehen in der Gemeindekanzlei)
*Hochbauamt des Kantons Zürich, Faltprospekt zum Museum
*Hochbauamt des Kantons Zürich, Faltprospekt zum Museum



Version vom 21. Mai 2008, 14:42 Uhr

Ottebächler Nr. 127 März 2005

Energiespender und Naturschutzgebiet

Der Fabrikkanal bildet, zusammen mit den Gebieten Bibelaas und Gmeimatt, (Eisfeld) das grösste zusammenhängende Naturschutzgebiet auf Ottenba-cher Boden. Die Reuss bildet die westliche Grenze der ca. 133‘000 m2 um-fassenden Fläche. Vor allem in der wärmeren Jahreszeit wird das Gebiet stark genutzt. Bei Badewetter ist die Strecke vom Kanalwehr bis zur Reussbrücke die beliebte Ottenbacher «Riviera». Auch Naturbeobachter, Jogger, Biker und Wanderer geniessen die einmalige Flusslandschaft. Ein später erscheinender Artikel wird sich mit der speziellen Flora und Fauna befassen.

In der folgenden kurzen Abhandlung soll aber die Geschichte des so ge-nannten «Fabrikkanals» erläutert werden.

Die Getreidemühle

Schon im Jahr 1454 finden sich drei Familien namens Müller auf den Steuer-listen. Der Beiname von Hans Müller «Ze Rüss» und ein steuerbares Ver-mögen von 100 Pfund weist darauf hin, dass er in Ottenbach eine Mühle betrieben hat. Detaillierte Informationen liegen aber erst im 17. Jahrhundert vor. In einer Eingabe an die «Gnädigen Herren» in Zürich beantragen der Ottenbacher Müller Heinrich Grob und die Zivilgemeinde Ottenbach 1638, dass Müller Grob an der Reuss einen neuen «Malhufen» - bestehend aus einem Mühl- und Bodenstein sowie einem Wasserrad - errichten dürfe. Erst 1645 bewilligte der Zürcher Rat den Bau. Die heutigen Baugesuche werden doch etwas speditiver behandelt. Oder? 1647 war die neue Mühle an der Reuss fertig gestellt.

Diese Mühle blieb so bis 1836. Eine in diesem Jahr ausgestellte Wasser-rechtsurkunde bewilligte dem Ottenbacher Müller den Bau einer neuen Wasserkraftanlage. Dazu liess er einen Kanal bauen, der ein neues Wasser-rad antrieb. Für die bessere Wasserfassung baute er ein Streichwehr in die Reuss.

Von der Mühle zum Textilgewerbe

Im 17. und 18. Jahrhundert war die Textil- Heimindustrie in allen Bezirksge-meinden stark verbreitet. Sie bot den vielen Klein- und Halbbauern das nöti-ge Zusatzeinkommen. Vor allem wurde Baumwolle gesponnen, aber auch Mousseline- und Indienne- Webstühle standen in den Kellern und Stuben. In Ottenbach waren diese Einkommen ebenfalls zum Überleben nötig. Als die erste industrielle Weberei 1843 am Fabrikkanal ihren Betrieb aufnahm, wur-de diese für über 100 Jahre der wichtigste Arbeitgeber in Ottenbach. Fast aus jeder Ottenbacher Familie arbeitete jemand in der «Fabrik». Auch aus den benachbarten Aargauer Gemeinden kamen jeden Tag Arbeiterinnen und Arbeiter zu Fuss oder mit dem Velo zur Arbeit. (In Zwillikon und Obfel-den waren ebenfalls Webereien in Betrieb.) 1920 arbeiteten 220 Personen in der Weberei, 1943 noch 110. In meiner Jugendzeit erlebte ich den Arbeits-beginn und -Ende jeden Tag. Am Morgen strömte die Arbeiterschar auf der Muristrasse zur Fabrik. Die meisten zu Fuss, wenige mit dem Velo. Punkt 06.30 Uhr ertönte zum Arbeitsbeginn ein durchdringender Sirenenton. Die Mittagspause um Punkt 11.00 Uhr begann wiederum mit Sirenenklang. Die Hausfrauen zuvorderst (zu Hause musste noch das Essen zubereitet wer-den), strömte das Volk an den Mittagstisch. Auf Punkt 13.00 Uhr das Ganze wieder zurück. Arbeitsschluss Punkt 17.30 Uhr - immer mit Sirene.

Die Seidenstoffweberei

1869 wurde die Wasserkraftanlage an die «Mechanische Seidenstoffweberei Zürich» der Herren Bodmer und Hürlimann verkauft, welche die Mühle bis 1871 in eine Textilfabrik umbauten. Zehn Jahre lang trieb das Wasserrad von 1836 die Webstühle der Seidenweberei an.

1880/81 wurde die Fabrik vergrössert und das Wasserrad durch eine leis-tungsfähigere Turbine ersetzt. Doch selbst diese reichte für den Antrieb der nunmehr 200 Webstühle nicht aus, die fehlende Energie lieferte eine Dampfmaschine (Standort beim heutigen Ladeneingang).

Für die Speisung der Gaslampen brauchte man Karbid. Mit dem Einbau der heute noch bestehenden Francisturbine der Firma Bell in Kriens, Baujahr 1920, setzte eine starke Modernisierung ein.

Die mechanischen Transmissionsanlagen wurden abgebrochen und die Fabrikanlage elektrifiziert. Die 350 kleinen Webstühle wurden durch 120 grössere, leistungsfähigere ersetzt. Die fehlende Energie bei Niedrigwasser erzeugte man immer noch mit einer Dampfmaschine. Erst ab 1936 lieferte das EKZ den zusätzlich benötigten elektrischen Strom.

Die Weltwirtschaftskrise

Die Weltwirtschaftskrise um 1930 brachte das Unternehmen 1932 zu Fall. Die Fabrik, samt Wasserkraftanlage, übernahm die Seidenstoffweberei A.F. Haas. Sie produzierte bis 1970 Kleider-, Möbel- und Dekorationsstoffe. Die Einführung einer neuen Webstuhlgeneration erforderte vollklimatisierte Websäle und führte zur Verlegung der Produktion in andere Betriebe. Seit 1975 dienen die Fabrikräumlichkeiten nur noch zu Verkaufszwecken, heute unter dem Namen «Haas Shopping».

1977 erwarb der Kanton Zürich, im Zusammenhang mit dem Reussufer-schutz, unter anderem das Turbinenhaus samt Einrichtungen. Der ver-schlammte Kanal wurde gereinigt und die Turbinenanlage restauriert. Sie ist der Öffentlichkeit als Museum zugänglich. Der ganze Kanal, vom Einlauf-bauwerk bis zur Mündung, ist im Besitz des Kantons Zürich und zusammen mit den Flachmooren Bibelaas und Gmeimatt (Eisfeld) ein einmaliges Natur-schutzgebiet.

KNL Ottenbach - Peter Eichhorn

Quellen:

  • Bernhard Schneider, Ottenbachs Bevölkerung im Wandel der Zeit

(zu beziehen in der Gemeindekanzlei)

  • Hochbauamt des Kantons Zürich, Faltprospekt zum Museum

Bildlegende:

  • Kleinkraftwerk Fabrik Haas, Ottenbach: Zustand im Turbinenhaus nach der Renovation 1983. Anlagewart Hermann Grab

Foto 2 S/W