Berli-Hofstetter Jakob 1891 -1988

Aus Ottenbach
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Anzeiger des Bezirkes Affoltern, Freitag,, 12. September 1986

Jakob Berli, Schuhmacher - Schon zu Lebzeiten eine Legende geht mit 95 in den Ruhestand.

Ein kleines Inserat in der Dienstagsausgabe des „Anzeigers“ machte mich auf eine Tatsache aufmerksam, die wohl in der heutigen Zeit einmalig ist. Achtung, stand da zu lesen, „ich gebe meiner Kundschaft bekannt, dass mein Werkzeug und meine Maschinen in den Ruhestand gestellt werde, weil ich meinen Kunden 68 Jahre gedient habe“. Bis zum 30. September müssen alle Schuhe abgeholt sein, „sonst werde ich darüber verfügen“. Und ganz am Schluss: „Hochachtungsvoll zeichnet Jakob Berli-Hofstetter“.

Es ist kaum zu glauben. Im Frühjahr gratulierten ihm seine Freunde und Verwandten zum 95. Geburtstag. Auch Radio DRS verkündete diesen Feiertag in seiner Gratulationssendung. Und jetzt, einige Monate später, gibt der Jubilar seinen Job auf.

Jakob Berli ist in der Tat schon zu Lebzeiten eine Legende geworden. 68 Jahre lang hat er den Ottenbachern und einer weiteren Kundschaft in der Umgebung die Schuhe geflickt. Berli, ein Ottenbacher durch und durch, verbrachte seine Kindheit auf dem bäuerlichen Hof seines Vaters. Nach der Schule trat er in die damalige Seidenfabrik ein, wo im bald die anspruchsvolle Stelle als Webermeister angeboten wurde. Er lehnte aber dankend ab. Die „Fremde“ lockte ihn. Wieso ich hier Fremde in anführungs- und Schlusszeichen setze? Weil man sich heute darunter etwas ganz anderes vorstellt. Uster und St.Gallen oder Villmergen war damals eben die „Fremde“ .Zu Fuss alles, notabene. Jakob Berli war ein schuhflickender Wandergeselle geworden, nachdem er als 22jähriger noch eine Lehre als Schumacher begonnen hatte. Vorher wäre das Leben des jungen Ottenbacher’s beinahe abrupt zu ende gegangen. Eine schwere Brustfellentzündung ereilte ihn. Seine Umgebung hatte ihn bereits abgeschrieben. Er lebt noch heute, mehr als 70 Jahre später.

Besonders gerne erinnert er sich an eine Stelle in Villmergen. Zu Fuss nach Muri, mit dem Zug nach Wohlen, zu Fuss zum Arbeitsplatz. Das waren noch Zeiten. Für einen Wochenlohn von 15 Franken. Jakob Berli erfreut sich heute noch einer guten Gesundheit und er ist auch geistig in blendende Verfassung. Er kann aus früheren Zeiten erzählen mit einem Bemerkenswerten Gedächtnis, welches sich auch an kleinste Einzelheiten erinnern vermag.

68 Jahre lang hat er nun in seinem Geschäft an der Isenbergstrasse 4 Schuhe geflickt. Während 10 Jahren etwa, in den Kriegsjahren, stelle er Schuhe auch selber her. Respektable 40 bis 50 Franken kosteten Ende des Zweiten Weltkrieges vom Schumacher produzierte Schuhe. Damals arbeiteten oft auch temporär Gesellen bei ihm, um den grossen Arbeitsanfall zu bewältigen. Meistens war er aber alleine in seiner erstaunlich modern eingerichteten Werkstatt mit leistungsfähigen Maschinen, welche er vorläufig behalten will. Sein Augenlicht sei es, welche die Betriebsaufgabe beschleunigt habe. Im Schumacherberuf muss man eben auch kleinste Details sehen können. Und überhaupt – einmal sei es doch genug. Jakob Berli strahlte, als er mir seine Werkstatt zeigen durfte. Er ist stolz darauf, immer mit modernen Maschinen, mit viel Liebe zum Beruf, aber auch zum Handwerk, seine Kundschaft bedient haben zu dürfen. Humor wird ihn auch im Ruhestand begleite. Und seine Kollegen, die ihn Ende Monat zu einem Abschiedsfest nach Engelberg eingeladen haben.

Jakob Berli ist ein Phänomen. Jetzt, im 96. Altersjahr, gibt er sein Geschäft auf. Ein Geschäft, welches von 1918 bis 1986 florierte. Das sind unglaubliche Zahlen. Zu wünschen ist dem rüstigen Ottenbacher, dass er noch einige Jahre seinen Ruhestand geniessen kann.

Schon vor langer Zeit riet ihn sein Arzt, den Beruf aufzugeben. Aus gesundheitlichen Gründen. Berli sagte zu ihm: „Geben sie mir ihr Portemonnaie, dann überleg‘ ich’s mir“. Typisch Jakob Berli. Er liebt seinen Beruf und der Arzt seinen Geldsack.

Hans Jucker .

Hans Jucker war viele Jahre Sportjournalist beim Schweizer Fernsehen und Redaktor beim Anzeiger.

Im Januar 1988 starb Jakob Berli im 97 Altersjahr.


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